Freitag, 5. Dezember 2014

Oligarchie und Staatszerfall

Ein kurzer Blick auf Ursachen und weitere Entfaltung des Ukraine-Konflikts


Streifzüge 62/2014

von Tomasz Konicz
Russland wollte mit der Einbringung der Ukraine in die vom Kreml forcierte Eurasische Union, die als Konkurrenzprojekt zur EU konzipiert war, seinen Status als eine global agierende Weltmacht halten. Bei der EU galt es folglich, das Aufkommen eines solchen Konkurrenten zu verhindern, der die europäischen Peripherieländer – für die „Europa“ aufgrund des deutschen Krisendiktats zusehends einem preußischen Kasernenhof gleicht – womöglich auf dumme Gedanken gebracht hätte. Die energiepolitische Kooperation Ungarns und Bulgariens mit dem Kreml (Stichwort: South Stream) in den vergangenen Jahren hat in Brüssel alle Warnlichter aufleuchten lassen. Die im Abstieg befindliche und hoch verschuldete Hegemonialmacht USA wiederum muss unbedingt den US-Dollar als Weltwährung retten, weswegen sie die Etablierung eines einheitlichen eurasischen Wirtschaftsraumes – bis vor Kurzem gab es auch innerhalb der deutschen Funktionseliten eine hierfür plädierende Strömung – um jeden Preis verhindern will. Die Eskalation in der Ukraine bildete somit den Keil, der eine diesbezügliche Annäherung zumindest mittelfristig unmöglich machen wird.

http://www.streifzuege.org/2014/oligarchie-und-staatszerfall

Dienstag, 25. November 2014

Machtkampf auf der Titanic

Wie die geopolitischen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West die labile spät­kapi­ta­lis­tische Weltwirtschaft zusätzlich destabilisieren.


von Tomasz Konicz
Die Eurozone befindet sich damit in einer weitaus kritischeren Lage als die Russische Föderation, sodass selbst der begrenzte ökonomische Effekt der Sanktionen ausreichen dürfte, um den Währungsraum endgültig in Richtung Rezession und Deflation zu treiben. Der Fallout des Wirtschaftskrieges zwischen Ost und West könnte somit den berühmten letzten Tropfen darstellen, der das durch exzessive Gelddruckerei und gigantische Liquiditätsblasen zusammengehaltene Krisenfass zum Überlaufen bringt.

Die Folgen der Sanktionsspirale zwischen dem Westen und Russland manifestieren sich beispielsweise für die deutsche Autoindustrie in einem massiven Einbruch des Autoabsatzes in der Russischen Föderation, der laut dem Branchenverband VDA im August um „fast 26 Prozent“ zurückging.

http://www.streifzuege.org/2014/machtkampf-auf-der-titanic

Montag, 3. November 2014

Audio: Die Sklaverei der Arbeit

Wie wir jeden Tag Verhältnisse herstellen, die uns unfrei machen

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann
gehalten am 3. November 2014 in Saarbrücken auf Einladung der Aktion 3.Welt Saar und des Ökumenischen Netz Rhein-Mosel-Saar



„Arbeit ist eines freien Bürgers unwürdig.“ So brachte Aristoteles die Haltung der kleinen Oberschicht freier Männer seiner Zeit auf den Punkt. Sie hatten leicht reden, denn Sklaven und Frauen nahmen ihnen die Arbeit ab. Seither hat die Haltung zur Arbeit viele Wandlungen erfahren. Mit Beginn der Neuzeit erfuhr sie gar religiöse Weihen. Das sprichwörtliche protestantische Arbeitsethos stand an der Wiege des Kapitalismus und sowohl Arbeiterbewegung wie Nationalsozialismus haben die Arbeit förmlich verherrlicht. Auch heute ist der Kult um sie ungebrochen. Doch geht es uns wirklich gut mit ihr, wenn wir zum Arbeitsbeginn schon den Feierabend herbeisehnen?

Was Millionen Menschen eigentlich mit ihrem Leben anfangen könnten und in Jugendjahren vielleicht sogar einmal wirklich gewollt haben, hat keinen Bestand vor dem kalten Gott des ununterbrochenen Geld-verdienen-und-Geld-ausgeben-müssens. Kein Gott hat je größere Opfergaben verlangt und erhalten als dieser: Zerstörte Lebensentwürfe und gebrochene Rückgrate, Erniedrigungen und Gemeinheiten, ruinierte Gesundheit, Verzweiflung und Demütigung, Sucht und Wahnsinn, Mord und Selbstmord, Vernichtung von Mensch und Natur… Anders als zu Aristoteles’ Zeiten haben wir heute die technischen Voraussetzungen, um alle Menschen weltweit von der Sklaverei der Arbeit zu befreien. Aber ausgerechnet jetzt schreit alles nach “Arbeit, Arbeit, Arbeit”. Wie verrückt sind wir eigentlich und die Welt, in der wir leben? Oder stimmt gar der alte Punker Spruch ‚Arbeit ist Scheiße’?

Der Vortrag zeichnet die historische Entwicklung des Arbeitsbegriffs von der Sklaverei über den NS bis heute nach.

Montag, 9. Januar 2012

Der Bauchbahnhof

Was den Wutbürger treibt und was ihm fehlt – Abgesang auf eine vermeintliche Demokratiebewegung.


von Lothar Galow-Bergemann und Markus Hofmann
Unter Wutbürgern ist Kapitalismuskritik nur als Karikatur zu haben: als Lobbykritik nämlich. Lobbyismus aber, also das Verfolgen eigener Interessen in einem kapitalistischen Universum, ist der deutschen Ideologie, der es immer ums halluzinierte Großeganze geht, seit jeher besonders suspekt. Ralf Schröder hat diese Haltung treffend charakterisiert: “Man halluziniert den Apparat der staatlichen Verwaltungen und Parlamente als bloße und damit neutrale Form, die recht ordentlich und auch im Sinne des Gemeinwohls funktionieren würde, sobald alle Staatsbürger gleichberechtigt und öffentlich ihre Anliegen hineinkommunizieren dürften. Aus der Perspektive des lobbykritischen Betriebskindergartens können die Erfordernisse der Kapitalverwertung alle anderen Ansprüche nur deshalb beständig dominieren, weil ihre Agenten über einen kurzen Draht zu den ’Entscheidungsträgern’ verfügen” (KONKRET 11/10).

http://www.streifzuege.org/2012/der-bauchbahnhof

Dienstag, 2. Dezember 2008

Das Gute und die Gier

Ressentiments und Blütenträume regressiver Kapitalismuskritik – zu einigen Defiziten der Debatte über die gegenwärtige Finanzkrise


konkret 12/2008

von Lothar Galow-Bergemann
Zweitens: So man nur will, kann man die Krise durch “Zivilisierung des Kapitalismus” in den Griff bekommen. Die “Zeit” mobilisiert eine weitere Mumie, um uns diese Botschaft nahe zu bringen – Marion Gräfin Dönhoff mahnt aus dem Grabe: “Was den Kapitalismus und die Marktwirtschaft angeht, so muss man sie unter allen Umständen erhalten und sie nicht abschaffen wollen – sie müssen nur sozusagen zivilisiert werden. Grenzen müssen gesetzt werden…” Pikanterweise schreibt das gleiche Blatt eine Woche später über den Zusammenbruch der größten Bankhäuser der ehemals führenden Finanzmetropole Florenz in den Jahren 1343 bis 1346: “Der Frühkapitalismus des 14. Jahrhunderts war ein ebenso entfesselter wie der Kapitalismus heutiger Tage… mächtige Monopole und Oligopole, Spekulationsblasen, …. spektakuläre Konkurse.” Was sagt uns das? In fast 700 Jahren ist es nicht gelungen, den Laden zu zivilisieren, aber natürlich krempeln wir jetzt die Ärmel hoch und biegen das mal kurz gerade.

Nicht die Gier einzelner Menschen ist die Ursache kapitalistischen Gewinnstrebens, sondern das systemimmanente und -notwendige kapitalistische Gewinnstreben fördert Gier und bestraft Solidarität.

http://www.streifzuege.org/2008/das-gute-und-die-gier

Donnerstag, 13. November 2008

Vom Elend marktwirtschaftsgläubiger Kapitalistenkritik

von Lothar Galow-Bergemann

für Jungle World 13.11.08
Leider kann man darüber nicht bloß den Kopf schütteln und zur Tagesordnung übergehen. Denn wo nicht begriffen wird, dass Kapitalismus ohne Streben nach Maximalprofit und ohne fiktives Kapital undenkbar ist, dass so genannte Realwirtschaft und Finanzsphäre nur zusammen gedacht, kritisiert und überwunden werden können, da herrscht auch die Vermutung, es wäre doch alles viel besser, wenn “uns” nur nicht einige gierige Spekulanten ins Unglück stürzen würden.

http://www.streifzuege.org/2008/vom-elend-marktwirtschaftsglaeubiger-kapitalistenkritik